5-4-3-2-1 Text

Die 5-4-3-2-1- Übung 

 

In dieser Achtsamkeitspraxis lenken wir den Fokus der Aufmerksamkeit auf äußere Objekte, die mit unseren Sinnen in Kontakt treten, und zwar solche, die wir sehen / hören oder spüren/fühlen. Was ist der Unterschied zwischen der reinen Wahrnehmung von Phänomenen ohne ihnen eine Bedeutung zu geben und der Wahrnehmung der Phänomene mit der Bedeutungsgebung? Man könnte sagen, das eine ist Wahrnehmung, das andere Wahrgebung. Bedeutungen sind Konzepte.


Wenn wir z.B. ein Geräusch als Geräusch hören und dabei die Tonhöhe / Dauer, Lautstärke sowie das Kommen und Gehen des Geräusches sowie die Stille am Ende des Geräusches bzw. die Stille zwischen den Geräuschen fokussieren und erleben, dann ist das eine Form von Hörmeditation, die wir in der formalen Meditation auf unserem Kissen praktizieren können. Dann ist es das "reine" Hören, ohne die Weiterverarbeitung des Gehörten (also ohne das Gehörte zu konzeptualisieren). In der formalen Meditation geht es also meist nicht darum, was die Ursache oder die Bedeutung des Geräusches ist. Wir interessieren uns stattdessen primär für das Phänomen von Geräuschwahrnehmung, die einfache Tatsache, dass wir hören im Gegensatz zu einem tauben Menschen. Das faszinierende Wissen, dass Hören stattfindet, dass da ein Hörbewusstsein ist und Geräusche gewusst werden und diese Geräusche angenehm, unangenehm oder neutral erlebt werden und sich ständig verändern.


Im Alltag geben wir den Phänomenen natürlich ständig eine Bedeutung (müssen wir ja auch, sonst könnten wir uns nicht orientieren). Am Beispiel des Hörens hören wir also nicht das reine Geräusch (..pip..pip .. hup hup..) sondern einen Vogel, eine Auto etc. Wenn wir achtsam sind, bemerken wir in dieser Perspektive, was wir hören (und sehen und fühlen) und können das auch benennen (z.B.: „Ich höre einen Vogel / Ich sehe ein Auto / Ich fühle meine Brille auf der Nase…“). Dann praktizieren wir „Achtsamkeit nach außen“. Das äußere Geräusch kann auch ein Geräusch des eigenen Körpers sein (ich höre meinen Atem, mein Schlucken oder meinen rechten Fuß, wie er beim Gehen auf den Fußboden tritt…).


Wenn die Innenwelt chaotisch und unerträglich wird, ist Achtsamkeit nach außen ganz wichtig und kann uns wieder orientieren und regulieren!


Wie geht die 5-4-3-2-1-Übung?


Ganz einfach: Du kannst überall üben. Schaue einfach in die Welt hinein. Was siehst Du? Wähle ein Objekt aus und sage Dir in Gedanken (oder, wenn es angemessen ist, laut), was Du siehst (z.B.: „Ich sehe meinen Laptop“) und betrachte Dir diese Objekt ein paar Momente lang, bevor Du zum nächste Objekt kuckst, es verbalisierst („ich sehe …“) und betrachtest. Das Ganze fünfmal (Du kannst Dir ein Objekt auch mehrmals hintereinander anschauen, aber dann auch jedes Mal verbalisieren „ich sehe xyz..“)


Dann höre einfach in die Welt hinein. Sage Dir in Gedanken (oder laut, wenn es angemessen ist), was Du hörst, und zwar wieder 5 Dinge, die Du hörst. Sage es und horche jedesmal einen Moment hin, bevor Du zum nächsten Objekt gehst. Die Objekte müssen auch hier nicht jedesmal andere sein, sie können sich wiederholen. Du brauchst nicht krampfhaft suchen, bis Du ein anderes Objekt hörst. Vielleicht hörst Du auch gerade nichts, dann sage Dir einfach: „Ich höre die Stille“ – und horche in die Stille.


Dann fühle einfach körperlich in die Welt hinein. Sage Dir in Gedanken oder laut, was Du fühlst (z.B.: „Ich fühle mein T-Shirt an der Schulter“, oder „Ich fühle meine Zunge am Gaumen“ oder „ich fühle meine Schuhe“ …) und fühle / spüre da mal hin für ein paar Momente bevor Du zum nächsten Objekt gehst. Auch hier wieder 5 Objekte, die Objekte dürfen sich wiederholen.


Wenn Du 5 Dinge gesehen hat, 5 Dinge gehört und 5 Dinge gefühlt, dann beginne wieder mit Sehen, aber nur noch 4 Objekte, dann 4 x Hören, 4 x Fühlen etc. Mit jedem Durchgang ein Objekt weniger, bis Du am Ende nur noch 1 Objekt, siehst, 1 Objekt hörst, 1 Objekt fühlst. Also:


5 mal: Ich sehe ...    5 mal: Ich höre ...    5 mal: Ich spüre ...   
 4 mal: Ich sehe ...    4 mal: Ich höre ...    4 mal: Ich spüre ...   
3 mal: Ich sehe ...    3 mal: Ich höre ...    3 mal: Ich spüre ...   
 2 mal: Ich sehe ...    2 mal: Ich höre ...    2 mal: Ich spüre ...   
 1 mal: Ich sehe ...    1 mal: Ich höre ...    1 mal: Ich spüre ...   

 

Das war´s. Soweit die formale Übung.

 

Wenn Du willst Du kannst natürlich auch einfach wahllos nach Lust und Laune sehen, hören, fühlen, und ohne zu zählen einzelne Dinge anschauen, hören oder fühlen. Einfach dorthin schauen, horchen oder spüren, wohin es Deine Aufmerksamkeit zieht.


Ich empfehle, das Ganze immer dem Kontext anzupassen. Wenn Du wenig Zeit oder wenig Lust hast, dann nimm eben weniger Objekte von Anfang an oder höre einfach mittendrin auf, wenn Du nicht mehr weitermachen möchtest. Jetzt zum Beispiel: Einfach ein Ding sehen, ein Ding hören und ein Objekt spüren – das war´s auch schon. Ich selbst übe einfach mal zwischendurch mit ein paar Objekten. Wenn ich vom Bahnhof nach Hause gehe, mache ich manchmal die komplette 5-4-3-2-1-Sequenz. Das sind 17 Minuten Fußweg und ich bin dann meistens fast zuhause, wenn ich alle Phasen durchgemacht habe. Ich finde das eine schöne Art, in der Welt zu sein oder wieder mit dem „echten“ Leben in Kontakt zu kommen, vor allem, wenn mein Kopf voller Gedanken oder Sorgen ist.


Wenn Du willst, achte doch mal darauf, ob und welche Wirkung spürbar wird, wenn Du es machst – wie hast Du Dich vorher gefühlt, wie während der Übung und wie danach?

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